Die erste Elternversammlung in der 3. Klasse ist vorrüber und ich weiß nicht, was ich davon denken soll. Hauptsächlich kann ich mich nur wundern, dass kaum jemand den Zustand der Schulmaterialien bemängelt, sondern eher nur pflichterfüllende Fragen gestellt wurden. Eltern wollten wissen, wie sie mit ihren Kindern die Hausaufgabern (HA) machen sollen (Schade, dass sie dafür keine eigenen Ideen haben), denn eines wurde doch offensichtlich: viele Kinder brauchen zu lange für die HAs. Naja, eigentlich ganz normal, wenn ich mir vorstelle, ich müsste mir die Grammatikregeln einer neuen Sprache selber beibringen, dann würde ich genauso lange brauchen. Es fehlen Strukturen. Auch finde ich es mehr als hilfreich, wenn man Strukturen, die man zum ersten Mal im Leben sieht, ordentlich erklärt bekommt und zwar solange, bis man sie wirklich verstanden hat und nicht bis die Ersten fertig sind.
Ja, das größte Hindernis und ab sofort auch ein wichtiger Verständnispunkt zum Lösen von Textaufgaben in Mathe, ist nachwievor der Deutschunterricht. Es hätte mich auch gewundert, wenn sich plötzlich alle Eltern für die Schulmaterialien ihrer Kinder interessieren oder sich versuchen, den Unterricht aus der Perspektive des Kindes vorzustellen. Ich habe eher das Gefühl viele Eltern versuchen ihr Kind in ein vorgegebenes Schema zu pressen oder irgendwie zu befähigen, in dieses Muster zu passen, ohne dabei zu gucken, ob dieses Schema überhaupt kindgerecht ist. Zugegeben es ist nicht gerade leicht, sich vorzustellen, wie es ist, wenn man noch nicht Schreiben kann. Wie es ist, wenn man sich gerade versucht, etwas zu merken und dann wird einem das Wort gleich anders geschrieben präsentiert. Vielleicht könnte die Vorstellung einer Fremdsprache helfen. Da findet man auch nicht gleich die Fehler in Wörtern, die man noch gar nicht gefestigt hat. Und festigen tut man durch Wiederholungen. Es ist doch schon schwer genug, von einer vollen Tafel abzuschreiben, vor allem da ja nun bekannt ist, dass teilweise erhebliche Leseschwierigkeiten bestehen.
Leider habe ich meine lange Rede nicht gehalten, dafür war es irgendwann ohnehin zu spät. Niemand von den Eltern ist abends nach acht noch in Diskutierlaune. Aber vielleicht denkt jetzt der ein oder andere doch mal darüber nach, wie es ist, wenn man die frisch gelernten Wörter nachmittags falsch geschrieben vorgesetzt bekommt, wo die Kinder eh Zeit zum Spielen haben sollten. Ich wollte eigentlich noch mehr Stolpersteine aus dem Rechtschreibheft aufzeigen, aber selbst der erste Punkt, welcher die Groß- und Kleinschreibung betraf, wurde mit dem Argument, dies werde jetzt eine Grundsatzdiskusion (was ich natürlich nicht mit Leuten tun wollte, die sich dafür gar nicht interessieren) abgeschmettert. Es muss ja nicht immer diskutiert werden. Manchmal genügt ja auch das Anhören von Forschungsergebnissen, in welchen gute Lernmethoden vorgestellt werden, anzuhören und erst mal sacken zu lassen.
Abgesehen von dem Durcheinander, welches der Deutschunterricht in den Köpfen der Kinder verursacht, sind viele Inhalte des Rechtschreibheftes echte Motivationskiller. Da stehen Sätze und Wörter zum Nachschreiben drin, die will man noch nicht mal lesen. Einige sind sogar inhaltlich falsch. (meine Anmerkungen in Klammern).
Jeder Streit ist eine Qual. (Wenn man nicht gelernt hat, sich richtig zu streiten…) Jeder Mensch kennt das Gefühl von Angst und Wut. (Super, dann gibts ja kein Entkommen vor dieser tollen Erfahrung.) Oma kennt keine Angst vor Schmerzen beim Zahnarzt. (Oma hat ja auch ein Gebiss.) Im Ziel schickt der Sieger ein Gruß an seine Mutti. (Hatte er jetzt ein handy dabei? Sonst hätte es doch heißen müssen: Der Sieger winkte, als er über die Ziellinie rannte.) Ritter kreuzen ihre Schwerter nahe einer Kreuzung. (Äh? Kreuzen ihre Schwerter? Also kämpfen sie oder nicht?) Fische sind nicht süß. (Komisch, hab ich aber schon oft Leute sagen hören und ich glaube die wussten, dass die Fische nicht aus Zucker bestehen.) Alle tragen T-Shirts. Heiner trägt Mantel und Schal. (Also tragen doch nicht alle T-Shirts.) Uli hat Angst vor Küken. Mamas Knie riecht nach Spiegelei mit Zwiebeln. Die Ozeane sind voller Müll und wir sind die Quelle. (Zum Glück gibt es auch noch andere Dinge im Ozean außer Müll und wovon sind wir die Quelle?)
Wenigstens wurde die HA-Zeit auf 15min jeweils für Mathe und Deutsch festgelegt. Mehr werden wir donnerstags nach 6 Stunden Schule, welche an jeden Donnerstag um 7:15 Uhr beginnt, auch nicht machen. Jedenfalls nicht mit diesen Materialien.