Deutschheit

Deutsch 3. Klasse – die Silbe „heit“

12. Februar 2019: Gestern befand sich im Rechtschreibheft meines Sohnes ein leuchtend rosa Schnipsel mit der überaus freundlichen Bemerkung: „Es fehlen noch einige bearbeitete Seiten!“ (Was im Prinzip ja auch nur eine Feststellung ist und noch keine Aufforderung, etwas zu tun, ganz zu schweigen vom Entfachen irgendeiner Begeisterung.)

Also was fehlt denn? Aha. Es geht um…. oh, eine Überschrift auf der Seite ist nicht vorhanden, dafür hat die Seitenzahl einen auffälligen Stern bekommen, an welchem man kaum vorbeisehen kann und welcher die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich zieht. Dabei muss man sich also andauernd ansehen, dass die eigentliche Zahl noch nicht einmal richtig platziert wurde und fast aus dem Rahmen fällt. Was rauszufinden war: es geht also um „-heit“. Mhm.

Weiter im Text: „Ordne die Nomen (Namenwörter) mit dem Wortbaustein -heit zu.“ Mhm. Hmm. Äh? Fehlen da nicht zwei Kommas? Müsste es nicht heißen: „Ordne die Nomen (Namenwörter), mit dem Wortbaustein -heit, zu.“, weil die Sache mit dem Wortbaustein ja lediglich eine Ergänzung des Wortes „Nomen“ ist, was man daran erkennt, dass der Satz auch funktionieren müsste, wenn man die Ergänzung weglässt. Wenn ich dann den Satz dementsprechend kürze, dann bliebe übrig: „Ordne die Nomen zu.“ Das soll jetzt verständliches Deutsch sein? Für Schüler der dritten Klasse, die noch nicht mal alle Worte fehlerfrei schreiben können? Vor allem: Wozu sollen die Nomen denn geordnet werden? Das steht da nicht, wär aber eine gute Wiederholung gewesen. Es hätte heißen müssen: „Ordne die Nomen den entsprechenden Adjektiven zu.“ Außerdem ist -„heit“ eine Silbe und als dieser Begriff bisher geübt worden. Wieso wird jetzt ein zweiter Begriff für eine Sache verwendet, die schon anders abgespeichert ist? Und dann „Wortbaustein“. Sind nicht alle Elemente eines Wortes Bausteine?

Ich sage dann also zu meinem Sohn: „Ihr sollt die Nomen den Adjektiven zuordnen.“ Fangen wir also an. Oh. Doofheit. Sehr interessant, wenigstens müssen wir dieses Unwort nicht schreiben, es wurde schon eingetragen. Natürlich in Druckschrift. Aber es erschwert das Arbeiten schon ein wenig, wenn man mit so einem inspirierenden Wort beginnt. Im Jounalismus zählt nichts so sehr, wie die ersten Sätze eines Artikels. Diese Sätze entscheiden, ob man die Energie aufwenden will, weiter zu lesen oder nicht. Jetzt würde mich wirklich mal interessieren, wer einen Artikel über Doofheit lesen will, ganz zu schweigen von der nachmittagerhellenden Aussicht solche worte auch noch sauber abschreiben zu dürfen. Da kommt Freude auf.

Die ersten drei Sätze sind entscheidend für die Motivation. Also zum Vergleich die ersten drei Worte. Doofheit. Schlauheit. Blindheit. Die Motivation ist im Eimer. Doof und blind will keiner sein und schlau ist sowieso niemand. Vor allem: Doofheit. Wer benutzt denn dieses Wort überhaupt? Und was soll das sein. Dummheit kann ich mir irgendwie vorstellen, sogar Blödheiten, die einer anstellt. Aber Doofheit…. genauso wie Schlauheit. Soll das so eine Geisteskugel sein, die sich im Kopf befindet oder die im Raum schwebt und alle anstecken kann?

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Rechtschreibheft 3. Klasse S.15

„Die Schlauheit lebt ein Leben zwischen der Intelligenz und der Klugheit“, erklärt Wolfgang sehr schön in seinem Artikel „Schlauheit – Verwunderung„. Schlauheit wird so definiert:“ Schlauheit ist der Missbrauch der Intelligenz zum eigenen Vorteil.“ Ich finde diese Definition sehr gut, aber das kann ich doch so nicht einem Neunjährigen erklären. Ah, weiter unten steht was lustiges von Tucholski:

»Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger«.

Aber auch darüber müsste man philosophieren, um den Begriff zu klären, was aber dann die berechnete Zeit für die Hausaufgaben in einen Schatten stellt, der noch außerhalb unseres Universums liegt. Um die Hausaufgaben in der erforderlichen Zeit zu schaffen, kann ich also die Begriffe, die mein Sohn (durch einmal-schreiben) üben soll, nicht mit ihm klären. Das hieße, ihn aber Worte üben zu lassen, die er nicht versteht. Was ist denn da der Sinn der Übung? Unsinn ist auch ein Sinn.

Hier ein sehr interessanter Artikel zum Begriff „Dummheit“ von Dr. Lutz Gretengort, welcher zeigt dass auch ihre Definition nicht genau ist.

Warum werden den Kindern keine schönen Texte gegeben? Und wenn schon die schwere Silbe „heit“ geübt werden muss, welche man sich nicht einfach durch das Bilden des Plurals hätte erschließen können, aber auch nur,weil selten ein Lehrer gut oder überhaupt an die Tafel schreibt, wo sind dann Einheit, Verbundenheit, Offenheit und Vertrautheit?

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